Nun muss ich doch mal etwas zu der Geschichte schreiben, denn Herr Hirsch hat sein Auto bei uns gekauft.
Verkauft wurde ein T1 mit defektem, teilzerlegten Motor, als Restaurierungsobjekt ohne jede Gewährleistung für 7.000 Euro. Ich habe das Fahrzeug selber so gekauft, denn ich fand, es lohnte sich, es zu reparieren, da es rostfrei war und ein gute Innenausstattung hatte.
Beim Kauf haben wir vereinbart, dass der Motor überholt wird und die Überholung nicht mehr als 8.000 Euro kosten wird – ein Fehler zu meinen Ungunsten, denn es stellte sich heraus, dass der Motorblock gerissen war und aufwändig geschweisst werden musste (beim Cloud ist dies recht häufig der Fall, beim Shadow hatten wir es bisher noch nie). Wir hatten ferner vereinbart, dass das Fahrzeug innerhalb von ca. 3 Wochen fertig sein würde – ein Fehler meinerseits, denn Zeitdruck ist für diese Autos weder beim Fahren noch beim Reparieren gut, und der gerissene Block hat diese Zeitvorgabe unhaltbar werden lassen. Herr Hirsch hatte sich einen finanziellen Rahmen von 20.000 Euro gesetzt; mein Kommentar dazu war, dass er dann ja noch 5.000 Euro für Unvorhergesehenes hätte.
Da wir zur Motorreparatur immer die ganze Einheit samt Hilfsrahmen herausnehmen, bot es sich an, die Radaufhängung zu zerlegen und auf Verschleiss zu untersuchen sowie den Hilfsrahmen sandzustrahlen, zu grundieren und zu lackieren. Wir haben einige verschlissene Tragbolzen und einen leckenden Stoßdämpfer gefunden, die wir durch sehr gute Gebrauchtteile ersetzt haben. Ausserdem wurden natürlich alle Fettkappen an den diversen Lenk- und Traggelenken sowie die Motorlagerböcke ersetzt. Sämtliche Arbeiten wurden immer nach Rücksprache und in Abstimmung mit Herrn Hirsch ausgeführt.
Die Motorreparatur beinhaltete neue Laufbuchsen, neue Kolbenringe, Haupt- und Pleuellager, Planen der Köpfe und der Auspuffkrümmer sowie eine Überholung der Bremspumpen. Das Getriebe wurde rundherum neu abgedichtet (weil der Punkt "Getriebeüberholung" auftauchte: ein Austauschgetriebe kostet bei uns 1100 Euro +MWSt). Im Motorraum wurde an diversen Stellen lose Farbe entfernt und diese Stellen nachlackiert.
Es stellte dann heraus, dass das Fahrzeug wohl schon etwa drei Jahre nicht mehr gelaufen war und die Bremssättel überholt werden mussten (vier vorn, zwei hinten). Die Bremsscheiben vorn waren im Tragbild nicht akzeptabel, die Bremsschläuche und -klötze mussten ebenfalls ersetzt werden. Dies ist nun eigentlich der Hauptvorwurf von Herrn Hirsch an mich: Ich hätte ihn in Hinsicht auf den Zustand des Fahrzeuges, und hier insbesondere in Bezug auf die Bremsanlage, schlecht beraten. Ich nehme diesen Vorwurf durchaus ernst und bin daher in den letzten Monaten zunehmend zu "Worst-Case"-Annahmen übergegangen. Ich bin eigentlich ein eher optimistischer Mensch, sonst wäre ich bestimmt nicht in diesem Metier gelandet (der Kauf und die Restaurierung klassischer Fahrzeuge ist sicher nichts für Pessimisten); ich sehe aber ein, dass es – gerade bei begrenzten Etats – für einen Kunden wichtig ist, eine Obergrenze auch für den schlimmsten Fall zu kennen.
Im Fall von Herrn Hirsch sind wir durch die ganzen Mehrarbeiten deutlich über seinen Etat von anfänglich 20.000 Euro gekommen; genauer gesagt, sind wir bei über 27.000 Euro gelandet. Das war Herrn Hirsch zuviel, und ich habe dann – wegen der oben erwähnten zu optimistischen Einschätzung – über 2.000 Euro auf meine Kappe genommen und den Gesamtpreis auf Vorschlag von Herrn Hirsch auf 25.000 Euro begrenzt. Dafür ist das Fahrzeug dann von mir einschließlich TÜV-Abnahme/H-Kennzeichen übergeben worden. Nach 15 km trat ein Problem auf (kann mich nicht mehr erinnern, was es war), und ich habe das Fahrzeug zurückgeschleppt; Herr Hirsch ist dann mit meinem Privatwagen nach Berlin gefahren.
Wir haben das Problem behoben und ich habe den T1 nach Berlin geliefert (ohne Kosten für Herrn Hirsch). Auf dem Weg dorthin, kurz vor dem Ziel, ging einer der beiden neuen Unterbrecherkontakte kaputt (die Nase, die von der Nocke betätigt wird, war abgebrochen). Mit einem Stück Papier habe ich den defekten Kontakt stillgelegt und die Fahrt fortgesetzt. Ich habe einen Materialfehler beim Kontakt vermutet und Herrn Hirsch einen neuen geschickt, den er dann selbst eingebaut hat. Nach kurzer Zeit ist der Kontakt wieder abgebrochen, und es zeigte sich, dass die Verteilerwelle offenbar sehr viel Spiel hatte. Dies ist etwas, was ich nicht geprüft hatte, denn diesen Fall hatte ich bisher noch nicht (ausgeschlagene Buchsen gibt es besonders bei den Sechszylindermotoren).
Ich habe mit Herrn Hirsch vereinbart, dass er den Verteiler entweder zu mir zur Überholung schickt oder ihn in Berlin überholen (gegen Kostenbeteiligung) oder – was sein Wunsch war – eine elektronische Zündung einbauen lässt.
Es trat dann ein Wackelkontakt im Anlasserstromkreis auf, und habe Herrn Hirsch gesagt, dass er den Motor im Notfall auch über den Knopf am Starterrelais im Motorraum starten kann, dass er allerdings immer prüfen muss, ob kein Gang drin ist, da sonst das Auto einfach losfährt. Einmal hatte er den Rückwärtsgang drin, was zu einem Heckschaden an dem Bentley führte. Ich kann wohl kaum etwas dafür, aber dieser Schaden kommt mental mit auf die Rechnung...
Herr Hirsch hat unsachgemäße Arbeit an der Zündanlage erwähnt, deshalb auch hierzu mein Kommentar:
Als wir mit dem Motor fast fertig (und durch Drohungen des Herrn Hirsch mit juristischen Schritten unter starkem Zeitdruck) waren, haben wir die Zündkabel, die durch Überwurfmuttern im Verteiler befestigt sind, statt mit gelöteten Messingscheiben mit Stahlscheiben und verdrillten Litzen gesichert, da wir die Messingscheiben gerade nicht auf Lager hatten. Diese Methode ist im Ergebnis haltbar, wenn die Kabel in Ruhe gelassen werden, was hier durch die kaputten Kontakte nicht der Fall war – wenn dadurch das Auto nicht richtig läuft, ist das lästig, im Gesamtrahmen aber eine Marginalie, die letztlich dann auch leicht zu beheben war.
Herr Hirsch war vor kurzem bei uns, da das Fahrzeug irgendwo Bremsflüssigkeit verlor. Dies stellte sich nicht als Mangel unserer Arbeit heraus, sondern war ein leckender Hauptbremszylinder, den wir dann überholt haben.
Die Einstellung dieses Teiles ist sehr kritisch: bei zuviel Spiel ist der Pedalweg zu weit, bei zu geringem Spiel kann es sein, dass bei heißen Bremsen sich die hinteren Bremsen festziehen. Um dies auszuschließen, habe ich mit Herrn Hirsch eine Probefahrt von etwa zehn Kilometern gemacht und dabei die Bremse diverse Male betätigt, um sie heiß werden zu lassen; hierbei trat kein Problem auf.
Als Herr Hirsch in Berlin eintraf, trat das Problem dann offenbar trotzdem auf – es wird nun in Berlin eingestellt, und ich übernehme die Kosten.
Aus der Sicht des Kunden: alles ist teurer geworden und hat länger gedauert, und es sind immer wieder Kleinigkeiten aufgetreten, die zum Stillstand des Fahrzeuges geführt haben. Das verdirbt verständlicherweise den Spass an einem Fahrzeug, das man sich ja nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Bauch gekauft hat, und das Freude bereiten soll.
Aus meiner Sicht: ein relativ seltenes, schönes Auto (das alte Armaturenbrett mit viel Holz, Picknicktische), rostfrei, gutes Leder, alle teuren Teile repariert und ohne Mängel. Kosten – wie immer – jenseits des Marktwertes. Da ich die Probleme mit der Bremsanlage hätte voraussehen können, bin ich dem Kunden finanziell erheblich entgegengekommen. Einige eigentlich harmlose Mängel unserer Arbeit haben zu Ärger geführt; hier habe ich durch Arbeit, Beraung und Geld versucht, den Schaden zu begrenzen. Ich habe gelernt, a) eher den schlimmsten Fall anzunehmen und b) auf keinen Fall enge und feste Fertigstellungstermine zuzusagen – das ist bei einem so komplexen und immerhin 38 Jahre alten Auto unsinnig.
Herr Hirsch scheint gern Anwälte beschäftigen zu wollen (wir hatten das wegen der Terminüberschreitung bereits vor längerer Zeit); ich habe vor ein paar Minuten von ihm ein Fax bekommen, in dem er von mir jetzt plötzlich 4.000 Euro haben möchte – mit einer Begründung, die für sich spricht: "...da ich mir nicht vorstellen kann, dass Sie Interesse daran haben die Fehlleistungen in Ihrer Einschätzung und die Qualität Ihrer Werkstatt bekannt werden oder ggf. gar durch ein Urteil bestätigt zu bekommen." Da fehlt zwar irgendwo ein Wort, aber der Sinn ist klar, denke ich.
Es zeigt mir, wie sinnvoll es war, diese Sache hier öffentlich zu machen – ich bin auf die Diskussion gespannt.
Grüße aus dem Norden
Claus F.Erbrecht
Heaven's Gate Garage
www.bentleyteile.de