Wow, was für ein Beitrag, Herr Erbrecht, mein Kompliment! Auch ich finde diese Diskussion sehr gelungen, weil sie sehr tief liegende Aspekte berührt, die bislang selten diskutiert worden sind. Und ich finde nach wie vor, dass dieser Thread auch sehr viel mit Philosophie zu tun hat. Gerne will ich auf die von Ihnen genannten Umweltaspekte eingehen wie folgt:
Rein sachlich betrachtet, sind SAMT UND SONDERS ALLE Autos überflüssige Spritschlucker und jeglicher Vernunft Hohn sprechende Saurier. Und zwar quer durch alle Klassen. Das hat viel mit Menschlichkeit, also Unvernunft, zu tun. Machen wir uns bitte nichts vor: Autos sind Statussymbole und werden es auf absehbare Zeit bleiben. Ein Auto hat viel mehr zu tun, als mich von A nach B zu bringen. Es muss meinem Nachbarn zeigen, dass ich mir was leisten kann. Es muss mir selbst bestätigen, dass sich die vielen Überstunden gelohnt haben. Es soll mich abschirmen von der grausamen Welt da draußen und mir vorgaukeln, dass der Blödsinn von der "Freien Fahrt für freie Bürger" immer noch zutrifft - wenn die Straße mal frei sein sollte. Und wenn ich mit allen anderen im Stau stehe, muss es mir mit seiner Haptik und seinen olfaktorischen Wohltaten stets zu verstehen geben, um wieviel es doch schöner und besser ist, seine Zeit in ihm zu verschwenden, als in einem verdreckten Bahnabteil sitzen oder an einer Haltestelle im Matsch auf den nächsten Bus warten zu müssen. Dafür und für vieles andere mehr sind wir alle in dieser Runde gerne bereit, den zehnfachen Preis dafür zu bezahlen um von A nach B zu kommen, als es eigentlich nach Lage der Dinge kosten müsste.
Vom Stand der Technik her betrachtet wäre es schon längst möglich, mit einem Drittel des tatsächlichen Spritverbrauchs auszukommen. Die B-Seite dieser Scheibe will allerdings keiner hören: man müsste es einfach nur etwas langsamer angehen, man müsste gelegentlich mal wieder selber irgendwo kurbeln, man müsste ab und zu das Wetter nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern sich auch danach anziehen, statt eine Klimaautomatik damit zu beschäftigen, die immerzu selbe Temperatur einzustellen etc. etc. In Wahrheit ist es so, dass mich ein Dacia Logan oder SEAT Marbella genauso von A nach B bringt wie ein anderes Fahrzeug und alles was an Aufwand darüber hinaus geht, der reine Luxus ist. Wir spielen hier am allerobersten Ende der Luxusskala herum und es gibt genau GAR kein Argument dafür, zumindest kein sachliches, welches unser Treiben auch nur irgendwie rechtfertigen könnte, außer die Befriedigung höchst eigennütziger Interessen. Ich bin mir dessen bewusst, und ich stehe dazu, dass ich etwas technisch, sachlich und auch (Umwelt-)politisch höchst unvernünftiges tue, aber meine Leidenschaft für diese Fahrzeuge überwiegt jegliche technische Vernunft.
Zu Ihrem Einschub, die RR/B-Modelle der Vorkriegszeit wären spartanisch ausgestattete, völlig unspektakuläre Kisten für Geschäftsleute gewesen, die ein zuverlässiges und bequemes Fahrzeug gesucht hätten, kann ich nur sagen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Wenn man es in der jeweiligen Zeit betrachtet, wohlgemerkt. Es gab elektrisches Licht ab ca. 1910, den Anlasser serienmäßig als erstes Fahrzeug auf dem Markt glaube ich um 1911 herum, das ingenieöse Hispano-Suiza Servobremssystem mit mechanischem ABS (!) ab 1922, Radios ab 1928 (da waren in vielen Teilen der Welt überhaupt noch keine Sender in Betrieb), Heizung ab ca. den 1930er Jahren (musste bei Opel und Ford noch in den 1960er Jahren als Extra bezahlt werden) usw. usw., von den "luxoriösen" (in Anspielung auf die von Ihnen genannten Pyramiden) Aufbauten ganz zu schweigen.
Wenn es um Neuwagen geht, und damit hat der Thread ja begonnen, ist es Aufgabe einer jeden Firma ein Produkt anzubieten, welches von ihrer Kundschaft nachgefragt wird. Und geben wir es doch einfach zu: es waren noch nie die vernünftigsten Gründe, warum sich Leute einen RR oder Bentley gekauft haben. Und so ist es auch heute. Sollte das "Green Car" Konzept bei den Leuten ankommen, ist es nur zu begrüßen. Umweltpolitisch werden die paar Tausend verkaufte Fahrzeuge pro Jahr in der Gesamtbilanz herzlich wenig ausmachen, dieser Aspekt kann m.E. in einer sachlichen Diskussion (naja, so sachlich wir halt sein und es sehen können, nicht wahr?
) getrost außen vor bleiben. Das einzige "politisch korrekte" Fahrzeug, welches Rolls-Royce übrigens je anbot, der "Legalimit" war ein totales kommerzielles Fiasko und ist auch exakt der einzige Typ, von dem genau gar kein Exemplar überlebt hat.
Fakt ist, dass es nur eine Frage der nächsten paar Wochen oder Monate ist, bis ein Fass Rohöl mehr als 100 Dollar kosten wird und der doppelte Preis in wenigen Jahren erwartet werden kann, zumal Indien und China mit Macht an die Energiequellen dieser Welt drängen. Da diese - wie bekannt - begrenzt sind, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis der Sprit rationiert werden wird und spätestens dann unsere Lieblinge zu musealen Stehzeugen werden. Zeugen einer Epoche, die wider jeglichen Sachverstand und wider besseres Wissen ihrem Hedonismus in faszinierender Weise gehuldigt hat. Wir werden vor ihnen stehen mit den selben Gefühlen, mit denen wir heute eine Concorde im Museum betrachten: Gott, was war das für ein schönes Ding und wie schade, dass es sich nicht mehr bewegt / bewegen darf.
Freundliche und nachdenkliche Grüße,
Christoph